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Den Reichtum Gottes verteilen

Predigt zu Lukas 16,1-9

 

161 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3 Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6 Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7 Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.

8 Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. 9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.

(Übersetzung nach Martin Luther, revidierte Auflage 2017)

 

I

 

Liebe Gemeinde,

 

Menschen, die hoch verschuldet sind, stehen oft unter großem Druck.

Existenzsorgen und Zukunftsängste werden immer bedrängender.

Wenn kein Ausweg aus der Schuldenspirale gefunden wird, 

sind sozialer Abstieg, Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben,

Verlust von Wohnung und Arbeit die Folge.

Schlimm ist die Einsamkeit, wenn Familien auseinander brechen,  

Freunde sich zurückziehen und kein stabiler Halt im Leben mehr gefunden wird.

 

Weltweit treiben immer wieder Finanzkrisen viele Menschen in die Verschuldung.

Eine Analyse der Universität Zürich kam zu dem Ergebnis, 

dass 147 Konzerne ca. 40 % der Unternehmensnetzwerke beherrschen. (1)

Insgesamt besitzen nur 0,2 % der Weltbevölkerung 

die Hälfte des an der Börse notierten Kapitals besitzen, 

insgesamt die riesige Summe von 40 Billionen Dollar. 

Für diese Finanzeliten arbeiten Spezialisten aus Konzernen und Finanzdienstleistern.

Sie stehen im Dienst ihrer Auftraggeber und können ihren Job verlieren, 

wenn sie nicht die gewünschten Renditen erwirtschaften.. (2)

 

Das Gleichnis, das Jesus erzählt, spiegelt die Verhältnisse 

aus dem damaligen Palästina wider. 

 

„Es war ein reicher Mann“, so beginnt unser Gleichnis.

 

Wie unermeßlich groß sein Reichtum ist,

lässt sich aus den schwindelerregenden Höhe von Schulden  ablesen,

die auf den Schuldscheinen seiner Schuldiger stehen,

 

Ein Ausleger schreibt: „Hier wird in Größenordnungen ganzer Dörfer gedacht 

und man würde sich nicht weiter wundern, 

wenn diese Schuldner die Pächter ganzer Dörfer waren“. (3)

 

Man hat errechnet, dass die erlassene Menge Öl 

dem Wert von 73000 Denaren entspricht 

und der Wert des Weizens wird auf 50 000 Denare geschätzt. (3)

 

Ein Tagelöhner bekam etwa 1/2 bis einen ganzen Denar. 

Mit 73000 Denar hätte eine einfache Familie also 200 Jahre leben können.

 

In diesem System, in dem die Reichen ihren immensen Reichtum mehren

durch die Abgaben, die ihre Pächter zahlen müssen, geschieht es, 

dass auch immer wieder ganze Familien

in die Schuldknechtschaft getrieben werden.

 

Im Jahre 66 n. Chr. hat sich im judäischen Krieg auch die Wut der Verschuldeten

gegen die reichen Darlehensgeber und Großgrundbesitzer entladen.

Sie setzten das Jerusalemer  Archiv mit den Schuldscheinen in Brand. (3)

 

II

 

Auf diesem Hintergrund erzählt nun Jesus eine auf den ersten Blick 

haarsträubende Geschichte,

 

Veruntreuung, Anstiftung zu einer Straftat, 

Urkundenfälschung in mehreren Fällen kann man diesem Verwalter zur Last legen.

 

Er wird beschuldigt, das Vermögen seines Herrn zu verschleudern

und steht damit vor einer persönlichen Katastrophe.

Seine Zukunft ist ruiniert. 

Für schwere Arbeit taugt er nicht.

Das einzige, was er gelernt hat, ist, Verwalter zu sein,

aber genau diese Arbeit wird ihm verbaut sein.

Er könnte betteln. 

Mit verschämten und gesenkten Blick am Straßenrand sitzen,

auf die Mildtätigkeit seiner Mitmenschen hoffen,

ohne je wieder Teil dieser Gesellschaft sein,

sein Leben lang die Last seiner Schuld abbüßen, ohne jemals davon frei zu kommen.

 

Aber das sind keine Optionen für ihn.

Er will leben, seine Zukunft gestalten.

 

Und dann tut er erst Recht noch einmal das, was ihm vorgeworfen wird: 

Er verschleudert den Reichtum seines Herrn.

Er ermuntert die Schuldner, ihre Schuldscheine zu fälschen 

und gewinnt mit fremdem Geld Freunde für seine Zukunft. 

 

Das Verhalten des Verwalters zeigt, 

welch immense Verantwortung er für das Vermögen seines Herrn übernommen hat

und wie weit seine Befugnisse reichen in diesem System.

 

Die Schuldner indes lassen sich hineinziehen in dieses Verhalten. 

Sie greifen zu, es bietet sich ihnen eine einmalige Chance. 

Sie werden zu seinen Komplizen, sie werden zu Mitschuldigen 

und genau dadurch werden sie ihre Schulden los.

 

Man könnte nun erwarten, dass spätestens jetzt das geschieht, 

was die Hörerinnen und Hörer des Gleichnisses erwarten,

dass der untreue Verwalter entlassen  

und seinem Treiben endgültig ein Ende bereitet wird.

 

Jeder normale Firmenchef hätte jedenfalls solch einen Verwalter hochkant rausgeworfen, 

ihn angezeigt wegen Veruntreuung und versucht zu retten, 

was von seinem Vermögen noch zu retten ist.

Und auch ein moderner Robin Hood käme nicht ungeschoren davon.

Aber hier geschieht genau das Gegenteil,

etwas völlig Unbegreifliches, geradezu Verrücktes.

 

Wie so oft bringt Jesus ganz überraschende Wendepunkte in seinen Geschichten, 

mit denen keiner rechnet. 

Auch diese Geschichte nimmt ein völlig anderes Ende als erwartet.

 

„Der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte.“ 

 

Das Lob signalisiert: Du hast genau richtig gehandelt. 

Du tust genau das, was von dir erwartet wird.

Du wirst keinesfalls gefeuert.

Vielmehr: Mach weiter so.

Das ist die Pointe des Gleichnisses

 

Ein pfiffiger Verwalter unterwandert dieses ganze System 

von Reichtum, Schulden und Schuldknechtschaft.

 

Spätestens jetzt merken wir, dass Jesus geradezu mit Witz und Charme

die Verhältnisse dieser Welt auf den Kopf stellt -

oder müssen wir sagen - zurecht rückt?

Spätestens jetzt hören wir die Klänge einer neuen Welt,

in der Menschen andere Menschen nicht mehr ausbeuten

und in die Verelendung treiben,

in der Menschen geholfen wird, einen Ausweg aus der Verschuldung zu finden,

in der Menschen frei sein und leben dürfen,

in der Menschen Gutes tun mit ihrem Geld.

 

III

 

Entspricht nicht Jesu eigenes Verhalten dem Handeln dieses Verwalters,

der das Vermögen seines Herrn unter die Leute verteilt?

Diese Geschichte öffnet sich für Gott und seinen Willen,

der in der Welt durchgesetzt werden will.

 

Gott selbst erscheint in Jesu Gleichnissen wie

jener reiche Herr, der die Sklaven zu Tisch bittet und sie bedient.

Jener Gastgeber, der sein Festmahl mit Gästen von der Straße füllt.

Jener Vater, der den Sohn, der das Vermögen verprasst, wieder aufnimmt.

Jener Kreditgeber, der die Schuldscheine zerreißt

und immer neues Vertrauen in seine Gläubiger setzt.

 

Mit seiner bedingungslosen Annahme der Zöllner und Sünder

verschwendet Jesus den Reichtum der Liebe Gottes - 

ohne zu rechnen oder aufzurechnen.

 

Dieses Verhalten aber ist in den Augen der Gegner Jesu nicht haltbar.

Es wird ihm zum Vorwurf gemacht von den Seiten derer,

die diese Großzügigkeit und Güte und Barmherzigkeit Gottes nicht verstehen.

Er wird angeschwärzt.

Sie murren über ihn, heißt es nur ein Kapitel vorher:

"Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen." (Lk 15,1)

In diesen Zusammenhang hinein ist unser Predigttext gestellt. 

 

Doch Jesus bleibt diesem Weg treu.

Er hört nicht auf, das zu tun, was ihm vorgeworfen wird

Und als solcher handelt er im Sinne dessen, der gar nichts anderes will, 

als dass sein Reichtum verteilt wird.

Und setzt damit ein Zeichen: So ist Gott. So großzügig.

 

Jesus lässt sich nicht abschrecken von Denunziation und Anklagen.

Stattdessen sammelt er Freunde um sich,

die sich von ihm hineinziehen lassen in dieses Handeln,

Auch seine Freunde sollen lernen, den Reichtum Gottes zu verteilen.

Sie sollen lernen, auch dem realen Kreislauf von Verschuldung und Armut

die Gerechtigkeit Gottes entgegen zu setzen,

der nicht will, dass seine Menschen ins Verderben gestürzt werden

sondern leben.

 

Die Schuldner werden hinein verwickelt in dieses Verhalten.

Das Lob des reichen Herrn schließt auch sie mit ein.

 

Ihr Glaube darf sich auf dieses Lob verlassen.

Ihr Glaube darf diesem neuen Verhalten vertrauen.

 

Heute am Volkstrauertag werden wir auch an das unermessliche Leid erinnert, 

das die Kriege auf unserer Welt verursacht haben und noch immer verursachen.

Wieviele Schuldscheine entstehen immer neu!

Wieviel Versöhnungsarbeit braucht es, damit sie zerrissen werden können!

 

Klug sind die Kinder des Lichts,

weil sie  nicht ihre Hände in Unschuld waschen 

und sich zurückziehen aus dem Sumpf der Welt.

 

Klug sind die Kinder des Lichts,

weil sie sich davon berühren lassen und zu denen gehen,

zu denen keiner sonst geht,

weil sie diejenigen in ihre Hütten aufnehmen, 

die sonst obdachlos wären.

 

Klug sind die Kinder des Lichts, 

weil sie ihren Reichtum einsetzen, um einander zu helfen, 

aus dem Kreislauf  von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit 

und Unversöhnlichkeit herauszukommen.

 

Klug sind die Kinder des Lichts,

weil sie die Großzügigkeit Gottes weitergeben,

damit Versöhnung und neues Leben beginnen kann.

 

Schuldscheine werden zerrissen.

Der Reichtum Gottes wird verteilt auf unserer Welt.

 

 

Amen

 

 

———

 

Literatur

(1) https://www.fr.de/wirtschaft/unternehmen-kontrollieren-welt-11371704.html

(2) Eckart Reinmuth, Der beschuldigte Verwalter in: Kompendium der Gleichnisse Jesu,

hg. Ruben Zimmermann, Gütersloher Verlagshaus, 2. Aufl. 2015, 634-646

(3) Franz Segbers, „Sich Freunde machen mit dem Mammon der Ungerechtigkeit“

Eine Relektüre des Gleichnisses vom „gerissenen Verwalter“ im Kontext der Finanzkrise:

Lukas 16,1-14 in: Gott ist anders, Gleichnisse neu gelesen, hg. Marlene Crüsemann, Claudia, Janssen, Ulrike Metternich,

1. Aufl. Gütersloher Verlagshaus 2014, S. 107-122

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