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Auf der Rückseite der Tage

Predigt zu Jesaja 2,1-5 

 

(Übersetzung nach Martin Luther, revidierte Fassung 2017)

 

Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jersualem. Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des HERRN, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!

 

 

I

Liebe Gemeinde,

 

Diese Worte wecken Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit,

Sehnsucht, dass sich Gottes Wille  erfüllt auf unserer Erde,

ohne Krieg, ohne Unrecht, ohne Gewalt.

 

Diese Hoffnung möchte ich haben,

dass die Völker das Krieg führen vergessen 

und dass sie lernen wie das geht,

aus Waffen Friedenswerkzeuge zu schmieden.

 

Diese Sehnsucht beflügelte auch die Friedensbewegung in den 80er Jahren.

 

„Schwerter zu Pflugscharen“ -

wurde zum Symbol, um gegen die die Stationierung von Atomwaffenraketen und

zunehmender Aufrüstung zu protestieren.

1983 schmiedete auf dem Wittenberger Kirchentag ein Schmied ein Schwert zu einer Pflugschar um, und dieses Symbol wurde weltweit bekannt.

 

Manchmal können wir auch auf Straßenfesten noch zusehen 

wie ein Schmied das Eisen zum Glühen bringt,

auf den Amboss legt und mit harten Schlägen bearbeitet.

Harte und schweißtreibende Arbeit ist das. 

 

Und noch immer ist es doch dringend notwendig auf unserer Welt,

dass wir von solcher Sehnsucht nach Frieden beflügelt werden,

die uns den Mut gibt, uns dafür einzusetzen.

 

Noch immer nimmt das Leid und das Unheil kein Ende

und auf vielen Ländern unserer Erde herrscht Krieg.

Manchmal sind es wenige Lichtblicke, wenn die Waffen für eine

Weile schweigen. Aber noch ist das kein richtiger Friede,

bei dem die Wunden und Verletzungen und der Hass

überwunden sind.

 

Und auch in unserer kleinen Welt, begegnen wir Unfrieden und Streit

und spüren wie schwer es sein kann, dass Bitterkeit und Groll

sich verwandeln in Versöhnung.

 

Der Prophet Jesaja wusste davon,

dass der Weg zum Frieden schwer sein wird,

als er dieses Bild benutzte.

Krieg lag in der Luft.

Jesaja rät den Königen, nicht auf Waffenbündnisse zu setzen,

und warnt vor wahnwitziger Politik.

Er hört nicht auf, unablässig sein Volk zu ermutigen,

auf Gottes Hilfe zu vertrauen.

 

Unermüdlich macht er zugleich deutlich,

dass Frieden einhergeht mit Recht und Gerechtigkeit.

Überall wo Menschen unterdrückt und ungerecht behandelt werden,

steigt die Gefahr, dass es zu Aufständen und Gewalttaten kommt.

Mit scharfen Worten prangert der Prophet das Unrecht an,

das den Armen und Schwachen in der Gesellschaft geschieht

und mahnt zum Hören auf Gottes Gebote und Weisungen.

 

Obwohl es doch oft so undenkbar ist

weil die Situation so verfahren aussieht,

sieht der Prophet, dass Friede möglich wird

für alle Menschen und Völker.

 

Diese Hoffnung ist für ihn unzertrennlich verknüpft

mit dem Vertrauen auf den Gott Jakobs,

Er ist der Gott des Betrügers,

der seinen Bruder um sein Erbe brachte.

Er ist Jakobs Gott, weil er den Weg seiner Menschen mitgeht durch

alle Wirren der Geschichte

auch mitten hindurch durch Scheitern und Schuld,

damit sie Versöhnung finden.

Jesaja macht sein Vertrauen fest, an dem Gott,

der sein Volk und alle Völker nicht im Stich lässt.

 

Er blickt nach Juda und Jerusalem.

„Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen“

 

Ausgerechnet in diese Stadt fällt sein Blick, 

die alles andere als fest steht und fest stand in ihrer Geschichte.

Heute sehen wir die Stadt, in der das Haus Gottes, der jüdische Tempel, 

schon zweimal dem Erdboden gleich gemacht wurde.

Übrig geblieben von der ehemaligen Tempelanlage ist nur noch die Klagemauer.

 

Wir blicken auf einen unscheinbaren Hügel, keinesfalls höher als alle Berge, 

sondern im Gegenteil,

niedriger als die anderen Berge um ihn herum. 

 

Wir sehen dass sich schon jetzt viele Menschen in Bewegung setzen,

um zu diesem Berg zu gelangen: 

Die Juden, deren Ziel die Klagemauer ist, 

wo sie ihre Gebete in die Ritzen des Mauerwerks stecken, 

Wir sehen die Muslime, die zum Felsendom und zur Al Aqsa Moschee pilgern,

und wir sehen die  Christen, die sich auf den Weg machen ins Heilige Land,

wo auch die Wurzeln ihres Glaubens liegen

 

Aber wir sehen gerade nicht, 

dass die Völker auf diesem Flecken Erde

ihre  Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen 

und die Weisungen Gottes hören.

 

Wir hören die Detonation der Bomben und den Knall

der Maschinengewehre

 

Wir sehen wie wacklig und instabil die Friedensprozesse sind

und wie ein kleiner Funke genügt, um neuen Krieg zu entfachen.

Wir hören wie Worte von Vergeltung umgesetzt werden

in Zerstörung und neuen Hass.

 

 

 

II

 

Doch Jesajas Blick fällt auf seine Stadt, 

nicht irgendwohin in ein Jenseits. 

Er spricht vom Frieden, der werden soll auf dieser Erde, 

weil Gott seine Welt nicht preisgibt.

 

Jesaja sieht, wie dieser unscheinbare Hügel in Jerusalem 

zu wachsen beginnt und fester und höher steht als andere Berge

 

Was diesen Berg so hoch und erhaben macht,

ist nicht seine eigene Majestät

sondern die Gegenwart Gottes.

Und was diesen Berg so anziehend macht,

ist nicht sein eigener Glanz 

sondern das Licht Gottes, das aufstrahlt.

Alle werden davon angezogen und finden 

Geborgenheit und Schutz

 

Wieso ist das so?

 

Wo Gottes Licht scheint, wird es hell und warm.

Solch ein Ort bietet den Völkern Zuflucht,

auf ihrer Suche nach Frieden,

und sei er auch nur so groß wie ein Maulwurfshügel.

 

Dieses Licht bietet ganz anderen Schutz als all

die grellen Scheinwerfer auf den Wachtürmen 

der Grenzanlagen.

 

Dort wo Gottes Licht aufstrahlt, 

spüren wir etwas vom Schein seiner Liebe,

in den wir gerne treten,

weil wir merken, dass wir ihm vertrauen können

mit allem was da geschehen ist.

Dort finden wir Geborgenheit, die die Angst kleiner

und das Vertrauen größer macht.

 

„Und dann wird er (Gott) richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker.“

Und wir blicken nicht in stechende Augen, die nach Fehlern suchen,

um uns zu verurteilen.

 

Wir werden den liebenden Glanz in seinen Augen sehen,

die ins Herz blicken, um zu heilen und zu versöhnen.

 

Wir werden hören wie Gott selbst unterscheidet zwischen Recht und Unrecht,

zwischen gut und böse.

 

Die Völker müssen sich nicht mehr voreinander fürchten,

denn da ist Einer, der jedem zu seinem Recht verhilft

 

Wir werden hören, wie die unschuldig Verurteilten Recht bekommen,

nach dem sie sich so lange gesehnt haben.

Und Gott wird sehen die Tränen der Gequälten und Unterdrückten

Sie werden nicht in Vergessenheit geraten

und im Wirrwarr der Geschichte versinken.

 

Und es wird ans Licht kommen,

was unterdrückt und vergraben blieb an Schuld und Versagen

und Grausamkeit und Unmenschlichkeit, 

damit es überwunden werden kann und Neues entsteht.

Und Gott wird sehen auch meine eigenen Tränen und all das

was auch in meinen Herzen dunkel und unterdrückt und vergraben geblieben ist.

 

Und dann wird geschehen, was vorher so unvorstellbar scheint, 

dass in der Nähe Gottes alles überwunden und versöhnt werden kann, 

und wir werden unendlich entlastet und befreit sein.

 

Wir werden begierig seine Worte und Weisungen aufsaugen,

damit wir  in diesem Lichte bleiben und leben,

wo Konflikte gelöst, den Bedrängten geholfen und nach

Recht und Gerechtigkeit gesucht wird. 

 

Und dort in diesem Licht brauchen wir keine Sprengstoffgürtel mehr

und keine Maschinengewehre und keine Bomben und Raketensprengköpfe.

Dort in diesem Licht lernen wir, 

Schwerter in Pflugscharen zu schmieden, Sperrzonen aufzuheben

und Weizen anzupflanzen, wo vorher noch Minenfelder waren.

 

In diesem Licht lernen wir schneidende Worte in aufmunternde Bemerkungen 

und vorschnellen Urteile in überlegtes Reden umformen

und wir nehmen einander wahr 

in unserer Sehnsucht nach Heil und Frieden.

Wir reden miteinander statt übereinander

und gewinnen Vertrauen ineinander.

 

 

III

 

Durch diese Vision bringt der Prophet unsere Sehnsucht

nach dem Licht Gottes zum Wachsen.

 

Was er sieht, geschieht „zur letzten Zeit“,

so die Übersetzung.

Das kann wörtlich heißen: „auf der Rückseite der Tage“,

auf ihrem „Hinterteil“.  

So als würde er ein Stück Stoff umdrehen

und auf der Rückseite ein Geschehen wahrnehmen,

das uns auf der Vorderseite so oft 

verborgen bleibt in einem Gewirr von Fäden und Knoten

 

Wir werden schon jetzt hineingezogen in dieses Licht

und doch - auf  der Vorderseite unserer Tage sehen wir oft nur

die harte und schweißtreibende Arbeit des Schmieds.

Es braucht lange Zeit bis das Eisen glüht, 

es braucht viele Schläge mit dem Hammer, 

bis ein Gegenstand seine Gestalt erhalten hat.

 

Es braucht viele, kleine Einzelschritte, viele Gespräche und Begegnungen,

damit sich Streit in Frieden wandeln kann.

Viel Mutlosigkeit, in denen das Eisen wieder kalt wird,

und neu ins Feuer gehalten werden muss, muss ausgehalten werden.

 

Wir spüren die Tiefe mancher Wunden und Verletzungen.

Wir merken wie schwer es ist, mit Enttäuschungen und

Unrecht fertig zu werden und spüren die Grenzen unseres Bemühens

und manchmal auch die Härte unseres eigenen Herzens.

 

Wir müssen oft lange Zeit leben mit dem, 

was noch unfertig und unerlöst ist.

 

Und doch -  der Prophet bestärkt uns in dieser Hoffnung,

dass es auch in den schlimmsten Konflikten

noch immer einen Ausweg gibt,

dass auch Feinde sich begegnen und miteinander am Tisch sitzen,

dass die schlimmen Verletzungen ausgesprochen 

und Tränen gezeigt werden können,

so dass eine  Ahnung davon entsteht:

Es kann doch noch einen anderen Weg geben 

als Krieg und Unversöhnlichkeit

 

Ich denke dabei auch an all die Friedensdienste, die es gibt,

die sich in unermüdlicher Kleinarbeit um solch einen Prozess bemühen.

 

Dankbar denken wir an die deutsch-französische Freundschaft,

die nicht zuletzt durch viele Initiativen Einzelner entstanden ist.

Auch da ist ein Stück dieser Vision des Propheten Wirklichkeit geworden,

die bis in unsere Gemeinden hineinragt, trotz so vieler Wunden,

die der Krieg geschlagen hat.

Die langjährige Partnerschaft zwischen Auenwald und Beaurepaire 

ist auch ein Zeichen dieses Lichts, das von der Rückseite der Tage

zu uns scheint auf die Vorderseite.

Immer wieder findet Austausch und Begegnung statt,

so wie auch kürzlich wieder.

 

Und auch im Kleinen merken wir,

wie befreiend es ist, wenn ich mich nach einem Streit 

wieder aussöhnen kann  mit einem Menschen, 

wir einander in die Augen blicken können 

und wissen: Es steht nichts mehr zwischen uns.

 

Als Christen entdecken wir Gottes Licht,

das aufscheint in Jesus von Nazareth,

geboren und aufgewachsen abseits der großen Bühne des Weltgeschehens, 

nicht auf großem Gipfel.

 

Gottes Licht scheint zu uns in seiner Menschlichkeit und Barmherzigkeit

in seiner Hilfe für die Armen und Hungernden

in seiner Suche nach den Verirrten und Verlorenen,

in seinem Hören auf Gottes Weisungen 

und in seinem Ringen um Gottes Recht und Gerechtigkeit.

 

Wir erkennen wie unsäglich schwer dieser Weg wurde,

wie gescheitert er aussah am Kreuz.

 

Dort auf dem erbärmlichsten aller Hügel

schenkt er uns zugleich die größte Hoffnung,

dass sein Licht auch in den Dunkelheiten der Welt nie verlöscht 

sondern weiter brennt für uns.

 

In diesem Licht lernen wir Barmherzigkeit 

im Umgang mit Scheitern und Schuld, mit eigener und fremder,

und um das Kommen Gottes und den Frieden in der Welt zu beten.

 

Wir lernen Bescheidenheit, die uns schützt vor Hochmut, 

damit wir unsere  eigenen Ansprüche nicht absolut 

oder gar mit Gewalt durchsetzen.

 

Und wir lernen, auch winzigste Schrittchen 

des Friedens und der Versöhnung zu gehen und hoch zu achten,

weil wir wissen: In Gottes Licht werden auch kleine Schritte ganz groß

so wie auch ein kleiner Hügel zu wachsen beginnt 

und alle anderen Hügel überragt

 

Deshalb bestärken wir uns immer wieder auf diesem Weg und rufen einander zu:

„Kommt lasst uns wandeln im Lichte des Herrn.“

 

____

Anregungen für diese Predigt fand ich bei Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh zu Jesaja 2,1-5: Reformation und eine Welt zur Eröffnung des Themenjahres am 31. Januar 2016 in der Heilig-Geist-Kirche Heidelberg

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